Nachwuchs für das Baugewerbe – ein Blick auf die Lehrlingszahlen im Bau- und Ausbauhandwerk
Unsere Zahl des Monats 10/2023
Das Baugewerbe sieht sich zurzeit im Spannungsfeld zwischen einbrechenden Auftragszahlen aufgrund hoher Bau- und Finanzierungskosten und dem Ziel der Bundesregierung, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen. Zudem spielt vor allem das Ausbaugewerbe für die erfolgreiche Erreichung der Klimazeile eine entscheidende Rolle. So kommt es, dass ein Großteil der Betriebe auch in Zeiten einer sich abkühlenden Baukonjunktur plant, seinen Beschäftigtenstand zu halten und das Thema Fachkräftemangel nach wie vor für viele Betriebe eine Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit bedeutet.
Unsere Zahl des Monats Oktober beschäftigt sich mit der Frage, wie gut das Baugewerbe gegen den Fachkräftemangel der Zukunft gewappnet ist. Einen Indikator dafür kann das aktuelle Verhältnis von Erwerbstätigen zu Lehrlingen liefern. Liegt das Verhältnis von Lehrlingen je 100 Erwerbstätige bei 2,5, müssten die Erwerbstätigen der Branche durchschnittlich rund 40 Jahre arbeiten, um die Anzahl der Erwerbstätigen auch zukünftig konstant zu halten. Ist das Verhältnis kleiner, müsste theoretisch länger gearbeitet werden, um die Erwerbstätigenzahl konstant zu halten – ist es größer, wäre theoretisch eine kürzere Arbeitszeit möglich.
Im Folgenden schauen wir uns zunächst die Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen im Baugewerbe an, bevor wir uns den Lehrlingszahlen im Bau- und Ausbauhandwerk widmen. Abschließend wird das Verhältnis von Lehrlingen je 100 Erwerbstätige sowohl auf Bundes- als auch auf Bundesland-Ebene berechnet und dargestellt.
Schauen wir auf die bundesweite Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen im Baugewerbe der letzten Jahre, so zeichnet sich zunächst ein positives Bild. Eine Auswertung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder (VGRdL) ergab für den Zeitraum von 2012 bis 2022 ein Wachstum auf Bundesebene von rund 9,7 %. 2012 waren rund 2,4 Mio. Erwerbstätige im Baugewerbe tätig, 2022 rund 2,63 Mio. Auf Ebene der Bundesländer verlief die Entwicklung uneinheitlich. Während z. B. Schleswig- Holstein (+20,6 %), Hessen (+18,8 %) und Baden-Württemberg (+15,6 %) hohe prozentuale Zuwächse im betrachteten Zeitraum verzeichnen konnten, verlief die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl im Baugewerbe in Sachsen (-4,6 %), Sachsen-Anhalt (-8,3 %) und Thüringen (‑14,3 %) rückläufig.
Eine Auswertung der Lehrlingsstatistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) im Rahmen unserer Zahl des Monats ergab für den bundesweiten Lehrlingsbestand des Bau- und Ausbauhandwerks im Zeitraum von 2012 bis 2022 insgesamt einen Rückgang um 8,5 %. Verübten 2012 bundesweit noch knapp 64 600 junge Menschen eine Lehre in einem der Berufe des Bau- und Ausbaugewerbes, waren es 2022 nur noch rund 59 100. Positiv ist jedoch zu sehen, dass der Tiefpunkt der Lehrlingszahlen im betrachteten Zeitraum mit rund 53 900 Lehrlingen bereits im Jahr 2017 erreicht wurde. Im Zeitraum von 2017 bis 2022 erholten sich die Lehrlingszahlen und stiegen um 9,5 % an. Diese Entwicklung verläuft zwar gegenläufig zu den steigenden Erwerbstätigenzahlen im Baugewerbe, liegt aber im Trend von sinkenden Ausbildungszahlen im Handwerk allgemein. Gingen 2012 noch rund 401 800 junge Menschen einer Lehre in einem Handwerksberuf nach, waren es 2022 nur noch rund 349 300. Auch hier verlief die Entwicklung auf Ebene der Bundesländer unterschiedlich. Während z. B. Sachsen (+48,8 %), Mecklenburg-Vorpommern (+37,3 %) und Thüringen (+31 %) sehr hohe prozentuale Zuwächse im betrachteten Zeitraum verzeichnen konnten, verlief die Entwicklung der Lehrlingszahlen im Bau- und Ausbauhandwerk z. B. in Nordrhein-Westfalen (-16,5 %), Sachsen-Anhalt (-17,1 %) und im Saarland (-29 %) rückläufig.
Nun betrachten wir das Verhältnis von Erwerbstätigen im Baugewerbe zu Lehrlingen in Berufen des Bau- und Ausbauhandwerks als Hinweis darauf, wie gut die Branche auf den Fachkräftemangel der Zukunft vorbereitet ist.[1] Im Jahr 2022 waren in Deutschland rund 2,63 Mio. Erwerbstätige im Baugewerbe und 59 120 Lehrlinge in den betreffenden Ausbildungsberufen zu verzeichnen. Dies ergibt ein Verhältnis von 2,2 Lehrlingen pro 100 Erwerbstätige.
Die Abbildung zeigt die regionale Verteilung des Indikators nach Bundesland. Bspw. liegt das Verhältnis von Lehrlingen je 100 Erwerbstätige in Schleswig-Holstein, im Saarland und in Bremen bei 3,1. Dies spricht für eine tendenziell gute Ausgangslage, dem Fachkräftemangel zu begegnen. In Thüringen (1,5), Sachsen-Anhalt (1,4) und Brandenburg (1,3) fällt das Verhältnis schlechter aus und den regional verorteten Betrieben des Baugewerbes wird es tendenziell schwerer fallen, die Anzahl der Erwerbstätigen in Zukunft konstant zu halten.
[1] In diesem Beitrag wurden nur die in der Lehrlingsstatistik des ZDH unter „Bau-. und Ausbauhandwerk“ gelisteten Lehrlingszahlen ausgewertet. Tatsächlich setzen sich die Erwerbstätigen im Baugewerbe auch noch aus anderen Handwerken (z. B. Elektro- und Metallhandwerke) zusammen. Somit ist die für das Baugewerbe relevante Lehrlingszahl tatsächlich größer und der berechnete Indikator nur als Annäherung an das wahre Verhältnis zu verstehen.
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