Wenn Zeiten sich wenden – von der Friedensdividende hin zur „Kriegstüchtigkeit“

05.06.2024

Der Umbau der Bundeswehr zielt darauf ab, die „Kriegstüchtigkeit“ oder auch „Verteidigungsfähigkeit“ wiederherzustellen – ein Prozess, der inmitten komplexer, sich überlagernder Herausforderungen stattfindet und insbesondere angesichts der vergangenen „Friedensdividende“ von etwa 1500 Milliarden Euro von 1985 bis 2021 eine immense Aufgabe darstellt. Eine Rückkehr zu den Bedingungen des Kalten Krieges ist aufgrund begrenzter staatlicher und unternehmerischer Ressourcen sowie des heutigen Rekrutierungspotenzials nicht möglich.

Die Bundeswehr ist aus Sicht des Arbeitsmarktes eine hybride Einrichtung: Zum einen wird Personal benötigt und zum anderen auch umfangreich ausgebildet. Damit ist sie eine der wenigen Bildungseinrichtungen des Bundes, die vom Bund direkt adressiert werden kann. Sie kann so auch zur Beseitigung von Fachkräfteengpässen in zivilen Bereichen herangezogen werden.

Angesichts der vielfältigen Berufsbilder der Bundeswehr und der Fachkräfteengpässe im zivilen Arbeitsmarkt sind anhaltende Besetzungsprobleme zu erwarten. Diese Engpässe beeinflussen die Bundeswehr sowohl direkt durch einen Mangel an Soldat:innen als auch indirekt durch einen Mangel an Wartungspersonal. In einem von Arbeitskräfteengpässen geprägten Markt stellt die Konkurrenz mit anderen Arbeitsstätten eine erhebliche Herausforderung für die Stellenbesetzung dar.

Darüber hinaus kann die „Kriegstüchtigkeit“ nicht allein durch die Bundeswehr erreicht werden. Es bedarf einer Verbesserung der „Wertschöpfungsfähigkeiten“ der Volkswirtschaften in Deutschland und Europa, wobei ein effizienter Ressourceneinsatz sowie sichere und faire Handelsabkommen voranzutreiben sind. Verhaltensänderungen nicht nur des Staates, sondern auch der Unternehmen und ebenso der privaten Haushalte können unterstützend wirken. Außerdem sind die Folgen für die Regionen zu beachten. Aufgrund ihrer Dimensionen hinsichtlich der Finanzvolumina und betroffener Arbeitsplätze hat die Wende in der Verteidigung einen ähnlichen Einfluss auf den Arbeitsmarkt wie die Energiewende und bedarf einer ähnlichen Aufmerksamkeit.
 


Das Qube-Projekt, als Gemeinschaftsprojekt von BIBB, IAB und GWS, befasst sich mit der heutigen und morgigen Lage auf dem Arbeitsmarkt auf der Ebene von Berufen. Die Mittelfristprognosen sowie die Projektionen des QuBe-Projektes wollen die Fachkräfteengpässe/-überschüsse von morgen und übermorgen identifizieren und die Ursachen dafür ergründen. Ziel ist es, eine verlässliche Informationsbasis für politische und unternehmerische Entscheidungen zu liefern. Die Herstellung von „Kriegstüchtigkeit“ bzw. Verteidigungsfähigkeit ist mutmaßlich so anspruchsvoll, dass sie nicht ohne Folgen für die Entwicklung anderer Berufe und Branchen bleibt. Mit dem QuBe-Essay "Wenn Zeiten sich wenden – von der Friedensdividende hin zur 'Kriegstüchtigkeit'" ordnen wir deshalb die Zusammenhänge der Bundeswehr zur ökonomischen Entwicklung und Fachkräftenachfrage ein. Der Beitrag ist als Denkanstoß gedacht und stellt einen ersten Schritt dar, wie die Herstellung von „Kriegstüchtigkeit“ ohne direkte Kriegsaktivitäten im Hinblick auf knappe finanzielle und menschliche Ressourcen aussehen könnte.

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