Transformationsbranchen in der Region

Zahl des Monats 03/2024

01.03.2024

Deutschland steht vor der Herausforderung einer tiefgreifenden sozial-ökologischen Transformation. Der Klimawandel, die Ressourcenknappheit und der Verlust an Biodiversität erfordern eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft und Wirtschaft, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Für eine erfolgreiche Transformation ist die Verfügbarkeit von passenden Arbeitskräften eine entscheidende Voraussetzung – ohne Elektriker:innen können keine Wärmepumpen installiert und ohne passende Stellen in der Verwaltung kann kein Windrad genehmigt werden. Um die politischen Ziele zu erreichen, ist bereits auf Bundesebene ein deutlicher Anstieg sogenannter Schlüsselbranchen zu erwarten. Als für die Transformation besonders bedeutsam wurden Branchen ermittelt, die unmittelbar mit wesentlichen Transformationsprozessen im Sinne des Klimaschutzgesetzes verknüpft werden können[1]. Die Top-9-Ergebnisse wurden für die kommenden Auswertungen (s. Abbildung und Tabelle) als sogenannte „Schlüsselbranchen“ definiert. Unter ihnen finden sich Branchen aus den Bereichen Metallerzeugung, Maschinenbau, Bau, Logistik, Architektur und Verwaltung. Neben der deutschlandweiten Verfügbarkeit der Arbeitskräfte ist auch die räumliche Komponente entscheidend. Kurz gesagt – die Arbeitskräfte müssen dort vorhanden sein, wo sie gebraucht werden. Doch wie sind die Schlüsselbranchen über die Republik verteilt?

Dieser Frage geht die erste Abbildung nach. Die Deutschlandkarte gibt Aufschluss über den Anteil der Beschäftigten in Transformationsbranchen an allen Beschäftigten für die bundesweiten 401 Kreise. Es sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen zu erkennen. Die Spanne geht von nahezu jedem zweiten Beschäftigten, welcher zu den identifizierten Schlüsselbranchen gehört, im Landkreis Rottweil in Baden-Württemberg bis zur kreisfreien Stadt Wolfsburg auf dem letzten Platz mit einem Anteil von lediglich 12 %. Generell ist ein Gefälle des Anteils der Beschäftigten in Transformationsbranchen von Süden nach Norden zu erkennen. Eine genauere Betrachtung offenbart jedoch auch Unterschiede zwischen stark besiedelten und ländlichen Regionen – zugunsten letzterer. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei der Betrachtung der drei Großstädte Hamburg, Berlin und München oder den Kreisen in Nordrhein-Westfalen entlang des Rheins. Diese siedlungsstrukturellen Unterschiede werden in der Tabelle genauer betrachtet.

In der absoluten Betrachtung der Beschäftigten in Transformationsbranchen liegen knapp 7,1 Millionen der insgesamt 10,3 Millionen betrachteten Beschäftigten in städtisch geprägten Kreisen. Damit liegt der Anteil der Beschäftigten in Transformationsbranchen in städtisch geprägten Regionen (Kreistypen: kreisfreie Großstadt, städtische Kreise) bei 69 %. Über alle Branchen hinweg liegt der städtische Anteil nach dieser Gliederung bei 72 %. In Summe deutet sich hier also bereits ein unterdurchschnittlicher Anteil an Beschäftigten in Transformationsbranchen in städtischen Regionen an.

Die Vermutung bestätigt sich in der relativen Betrachtung der Beschäftigten in Transformationsbranchen. Besonders die kreisfreien Großstädte weisen lediglich einen Anteil von 21,4 % auf und liegen damit deutlich unterhalb des bundesweiten Durchschnitts von 28 %. Für die städtischen Kreise lässt sich diese Beobachtung nicht bestätigen. Mit einem Anteil von über 29 % liegen diese Kreise über dem Durchschnitt und weisen nur einen etwas geringeren Anteil auf als ländliche Kreise (30 %).

Beschäftigte in Transformationsbranchen nach siedlungsstrukturellem Kreistyp

Kreistypen

Anzahl Beschäftigte in Transformationsbranchen – 2022

Anteil Beschäftigte in Transformationsbranchen – 2022

Kreisfreie Großstädte

3 044 060

21,4 %

Städtische Kreise

4 053 221

29,3 %

Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen

1 774 582

30,1 %

Dünn besiedelte ländliche Kreise

1 463 834

30 %

Quelle: Zika 2023eigene Berechnung

Für eine erfolgreiche sozial-ökologische Transformation und einen möglichst reibungslosen Übergang ist die Verfügbarkeit von Arbeitskräften sicherlich nicht der einzig notwendige Baustein und dennoch kann es ohne die passenden Arbeitskräfte nicht funktionieren. Doch auch eine deutschlandweite Verfügbarkeit von Arbeitskräften reicht nicht aus. Die Arbeitskräfte müssen genau dort vorhanden sein, wo sie auch gebraucht werden. Die Auswertung hat gezeigt, dass manche Kreise in den Bereichen der Transformationsbranchen besser aufgestellt sind als andere. Dennoch sollte das zu beobachtende Süd-Nord-Gefälle und die siedlungsstrukturellen Unterschiede in politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Nicht zuletzt darf die Betrachtung der absoluten Zahlen nicht vernachlässigt werden. Zwar ist der Anteil der Transformationsbranchen in den städtisch geprägten Regionen unterdurchschnittlich, aufgrund ihres hohen absoluten Anteils sind diese Regionen aber dennoch von großer Bedeutung. Diese Auswertungen zu den Transformationsbranchen auf Kreisebene bzw. nach siedlungsstrukturellen Kreistypen lassen dabei keine Aussage bezüglich möglicher Engpässe zu. Sie verdeutlicht vielmehr, welche Regionen von einer fortschreitenden Transformation am stärksten betroffen sind.

Auf die genaueren Gründe für das Süd-Nord-Gefälle und die deutlichen Unterschiede zwischen den städtischen und ländlichen Regionen sowie auf eine Projektion für die kommenden Jahre wird im Rahmen des laufenden Projekts „Arbeit und Qualifizierung in der sozial-ökologischen Transformation“ eingegangen. Das Projekt wird im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) durchgeführt. Im Projektteam arbeitet die GWS aktuell gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Institut für Innovation und Technik (IIT)

Weitere Beiträge der Serie „Zahl des Monats“ finden Sie hier.


[1] Zika, G., Schneemann, C., Zenk, J., Maier, T., Kalinowski, M. & Schur, A. et al. (2023): Fachkräftemonitoring für das BMAS. Mittelfristprognose bis 2027. Hg. v. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Forschungsbericht, 625. Online verfügbar, zuletzt geprüft am 01.03.2023.

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